Klares Engagement statt Greenwashing

Articles de presse

14. Februar 2022

Warum wir jetzt in Luxemburg und in Europa die richtigen Weichen für eine klimaneutrale Finanzwirtschaft stellen müssen

Von François Benoy

Abkommen, Strategien und Aktionspläne, mit denen die Finanzwelt klimafreundlich gemacht werden soll, gibt es reichlich. Mit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 hat sich die internationale Staatengemeinschaft darauf geeinigt, die Finanzmittelflüsse in Einklang zu bringen mit einem Erderwärmungsszenario von deutlich unter 2°C bzw. 1,5°C. Die EU hat daraufhin zahlreiche Gesetzesinitiativen auf den Weg gebracht, um die Klimafreundlichkeit des Finanzsektors zu erhöhen.

Doch über 6 Jahre nach der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens ist die Zwischenbilanz unzufriedenstellend. In einem im September 2021 veröffentlichten Spezialbericht übt der europäische Rechnungshof scharfe Kritik an der EU. Die sozialen sowie klima- und umweltrelevanten Kosten würden noch immer nicht ausreichend eingepreist, womit nachhaltige Investitionen für viele Investoren uninteressant bleiben. Auch der Mangel an Transparenz wird von den Rechnungsprüfern kritisiert, da dies zu Greenwashing führe. Der Finanzsektor sei darüber hinaus erheblichen Finanzrisiken ausgesetzt, die bisher nicht ausreichend offengelegt werden.[1]

Noch Luft nach oben

Trotz einiger Anstrengungen der Regierung, wie z.B. der vor etwa einem Jahr vorgestellten Sustainable Finance Strategy, ist auch in Luxemburg noch Luft nach oben in Sachen Nachhaltigkeit des Finanzsektors.

Eine Analyse der Zentralbank (BCL) zeigt, dass der Finanzplatz im Jahr 2020 höheren Klimafinanzrisiken ausgesetzt war als noch im Jahr 2016. Allein im Bankensektor ist der Gesamtwert der gewährten Kredite an Unternehmen aus CO2-intensiven Sektoren zwischen 2016 und 2020 um 32% gestiegen. Die BCL schließt daraus, dass die Banken Strategien hin zur Klimaneutralität nur sehr zaghaft bzw. überhaupt nicht umsetzen. Die Behörden seien deshalb jetzt gefordert, dafür zu sorgen, dass die Banken in Zukunft Klimafinanzrisiken besser erfassen und reduzieren.[2] Auch die Aufsichtsbehörde CSSF schreibt in ihrer jährlichen Analyse, dass immer noch zu viele Finanzakteure keine zufriedenstellende Offenlegung von klima- und umweltrelevanten Informationen gewährleisten.[3]

Dies relativiert die Zahlen einer Studie der luxemburgischen Fondsindustrie, wonach der Finanzplatz Spitzenreiter im Management von nachhaltigen Fonds sei.[4] Tatsächlich konnte sich Luxemburg in den vergangenen Jahren einen Namen im Bereich der Green Finance machen und belegte jüngst im Global Green Finance Index 2021 den fünften Platz. Im Vergleich zum gesamten Investitionsvolumen des Finanzplatzes bleibt der Anteil der nachhaltigen Finanzen jedoch marginal und auch die Transparenz der Finanzakteure lässt weiterhin zu wünschen übrig. Etwa 29% der Fonds beziehen Nachhaltigkeitskriterien in ihre Investitionsstrategie mit ein, während nur 4% der Fonds auch anhand von konkreteren Nachhaltigkeitszielen investieren.[5] Wie viele davon auch im Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens investieren, bleibt unklar.

Denn es mangelt auch immer noch an einer genaueren Bestandsaufnahme über den ökologischen Fußabdruck des Finanzplatzes. Dabei wäre genau dies sinnvoll, um den Fortschritt der Anstrengungen der letzten Jahre genauer zu bewerten. Eine mit dem Tool „Paris Agreement Capital Transition Assessment“ (Pacta) durchgeführte Analyse wurde bisher nicht veröffentlicht. Die Schweiz beschreitet hier einen anderen Weg und hat, trotz wenig schmeichelhaften Ergebnissen, die Auswertung für den Schweizer Finanzstandort veröffentlicht.[6]

Zeugnis: Ungenügend!

Um die Finanzwelt europaweit klimaneutral zu machen und auch darüber hinaus globale Standards zu setzen, sind ambitionierte Initiativen auf EU-Ebene unumgänglich. Gleich zwei wichtige Bausteine waren diese Woche Thema in der Abgeordnetenkammer: Die Verordnung über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzsektor (SFDR) und die Taxonomie-Verordnung. Erstere soll dafür sorgen, dass Finanzdienstleister genauere Informationen über die Nachhaltigkeit ihrer Produkte offenlegen. Seit dem 1. Januar 2022 sind alle Offenlegungspflichten der SFDR-Verordnung in Kraft. Die Umsetzung dieser neuen Regeln muss jetzt von den Aufsichtsbehörden kontrolliert und im Zweifel konsequent durchgesetzt werden.

Die Taxonomie-Verordnung wiederum definiert die wirtschaftlichen Aktivitäten, die als nachhaltig angesehen und somit auch staatlich unterstützt werden sollen. Das Ziel: Greenwashing vermeiden und Investitionen in Zukunftstechnologien, die uns der Klimaneutralität tatsächlich näherbringen, fördern. Doch genau hier liegt jetzt das Problem. Mit ihrer Entscheidung, Atomenergie und fossiles Gas als nachhaltige Aktivitäten zu kennzeichnen, hat die EU-Kommission der Taxonomie jegliche Glaubwürdigkeit geraubt und ihre wissenschaftliche Basis in Frage gestellt.

Die Frage ist hier nicht, so wie das von den Befürwortern der Atomenergie und von fossilem Gas oft dargestellt wird, ob beide Energiequellen weiter genutzt werden sollen, bis sie endgültig durch Erneuerbare ersetzt werden können. Es ist klar, dass Brückentechnologien gebraucht werden und dass Gas in den nächsten Jahren weiterhin eine Rolle spielen wird, um als Backup zu fungieren, wenn gerade nicht genug erneuerbarer Strom vorhanden ist. Beide Energiequellen jedoch in Anbetracht ihrer weitreichenden Konsequenzen für Natur und Klima als nachhaltig zu kennzeichnen, entspricht einer Realitätsverweigerung. Mit dieser Entscheidung werden klima- und umweltschädliche Investitionen gefördert, wobei dieses Geld gerade jetzt unbedingt gebraucht wird, um die erneuerbaren Energien europaweit massiv auszubauen.

Besonders bei der Atomenergie ist dies problematisch. Sie ist nicht nur viel teurer als erneuerbare Energien, der Bau von Atomkraftwerken dauert im Gegensatz zur Windkraft und der Photovoltaik Jahrzehnte, womit ein Revival der Atomkraft ohnehin zu spät käme um uns im Kampf gegen die Klimakrise zu helfen. Hinzu kommen die enormen Risiken für Mensch und Natur im Falle eines Unfalls sowie der Mangel an sicheren Endlagerungsstätten für hoch radioaktiven Abfall.

Sollten Kernenergie und fossiles Gas in der Endfassung der Taxonomie-Verordnung ihren Platz finden – wonach es zurzeit aussieht – muss Luxemburg darauf reagieren. Es gilt, die Taxonomie-Verordnung im Rahmen der Möglichkeiten so zu nutzen, dass nur wirklich nachhaltige Investitionen unterstützt werden. Dies gilt insbesondere für den ermäßigten Steuersatz bei der Abonnementssteuer, von dem Investmentfonds profitieren können, wenn sie in klimafreundliche Aktivitäten investieren.

Blick nach vorne

Luxemburgs wirtschaftliche Entwicklung baut seit Jahrzehnten auf einen stabilen Finanzplatz. Dies hat sich in der Corona-Krise bewährt. Doch die Klimakrise bringt neue Risiken und Herausforderungen mit sich, auf die auch die Finanzwelt reagieren muss. Sie darf nicht zur Bremse werden, indem sie klimaschädliche Sektoren künstlich am Leben hält, sondern muss die Transformation hin zur Klimaneutralität aktiv beschleunigen und mitgestalten. Das wird nicht von alleine passieren – zu groß ist zurzeit noch die Versuchung, kurzfristigen Profit vor langfristige Rentabilität und Stabilität zu setzen.

Die Politik ist deshalb gefordert, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen. Für Luxemburg bedeutet dies, europäische Initiativen ambitioniert umzusetzen und „First Mover“ in Sachen Transparenz zu sein. Die luxemburgischen Fonds verwalten insgesamt etwa 5.900 Milliarden Euro, womit Luxemburg der zweitgrößte Fondsstandort weltweit ist. Wir können und müssen deshalb einen großen Beitrag dafür leisten, den nachhaltigen Wandel der Finanzwelt zu beschleunigen.

Denn die Transformation der Wirtschaft bietet auch Chancen. Es entstehen neue Wirtschaftszweige mit neuen Jobs und Investitionsmöglichkeiten. Nur wer diese Chancen erkennt und nutzt, kann auch in Zukunft als Finanzzentrum attraktiv bleiben.

 

François Benoy ist Abgeordneter (déi gréng). Er ist Präsident der parlamentarischen Umweltkommission und Mitglied der Finanz- und Budgetskommission.

 


[1] Cour des comptes européenne (2021) Rapport spécial – Finance durable

[2] BCL (2021) Revue de stabilité financière 2021

[3] CSSF (2021) Thematic review on Issuers’ climate & environmental related disclosures, 2021 Report

[4] Zeb, Morningstar, ALFI (2021) European Sustainable Investment Funds Study 2021

[5] Ibid.

[6] 2° investing initiative (2020) Pacta Assessment – November 2020 Report

Erstpublikation: Luxemburger Wort, 12.02.2022

 

 

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