Schützen, wat eis wichteg ass ! Unser Gesundheitssystem: solidarisch – krisenfest – nah am Bürger

Briefing de presse

9. November 2022

Die Corona-Pandemie führt uns deutlich vor Augen: ohne krisenfestes Gesundheitssystem kann eine Gesellschaft sehr schnell ins Chaos abrutschen. Jahrelanges Kaputtsparen der öffentlichen Gesundheitssysteme wurde Italien und Spanien fast zum Verhängnis. Länder, in denen die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung nicht auf dem Solidaritätsprinzip basiert, sondern auf den neoliberalen Prinzipien der Eigenverantwortung und des Profitdenkens fußt, traf es besonders hart.

In Luxemburg hat unser Gesundheitswesen den Corona-Stresstest vergleichsweise gut gemeistert, nicht zuletzt wegen des beispiellosen Einsatzes des Personals und der solidarischen Disziplin der Bürger*innen. Unser Gesundheitswesen verfügt über ein gut ausgebautes System der Diagnostik, eine im weltweiten Vergleich angemessene Akutversorgung mit zahlreichen Intensivbetten und eine überdurchschnittlich gute technische Ausstattung. Zugleich ist spätestens seit der Pandemie überdeutlich geworden, dass die schon länger bekannten strukturellen Schwächen unbedingt behoben werden müssen, wenn wir die Zukunftsfähigkeit und Krisenfestigkeit des Systems garantieren wollen.

Für die Patient*innen manifestieren sich die strukturellen Mängel unter anderem in Form von langen Wartezeiten und einem erschwerten Zugang zu Leistungen, insbesondere in den Bereichen der Notaufnahme, der IRM Untersuchungen, der Zustellung von Terminen bei Spezialist*innen und der ganzheitlichen Nachversorgung schwerwiegender Gesundheitsstörungen, wie zum im Fall eines Schlaganfalls.

  1. Dem Personalmangel entgegenwirken

Die blitzartige Schließung der Ettelbrücker Geburtsstation führte zu großem Unverständnis und stellte einen regelrechten Paukenschlag dar. Spätestens dieses bedauerliche Ereignis machte  klar, dass der drohende Ärztemangel nicht auf abstrakten Statistikerphantasien beruht, sondern lebensbedrohliche Ausmaße annehmen kann. Zwar konnte dieser Notstand dank kreativer Lösungsansätze mit einem neuen Konzept und der optimalen Einteilung aller verfügbaren Kräfte zufriedenstellend gemeistert werden. Dennoch schwebt der strukturelle Personalmangel weiterhin wie ein Damoklesschwert über dem gesamten Sektor.

Oberste Priorität ist es demnach, den teilweise schon aktuten Personalmangel in medizinischen und pflegerischen Berufen zu beheben. Déi gréng stellen fest, dass einige Einzelmaßnahmen bisher erfolgreich umgesetzt wurden, wie der Medizinbachelor und die Erweiterung der Spezialisierungslehrgänge für Ärzt*innen an der Universität Luxemburg. Auch wurde angekündigt, dass die Ausbildung zum Krankenpfleger*in ab Herbst 2023 um vier Spezialisierungen erweitert wird, und dass der längst überfällige Bachelor in allgemeiner Pflege ab 2024 angeboten werden soll.

Folgende zusätzliche Maßnahmen sind für déi gréng unentbehrlich:

  • eine Verbesserung und laufende Aktualisierung der verfügbaren Daten, aufbauend auf den Empfehlungen des “Rapport Lair 2019”;
  • die Ausarbeitung einer nationalen Gesamtstrategie zur Ausbildung und Rekrutierung des Gesundheitspersonals, damit wir die 2030-Ziele der WHO erreichen können (z.B.: Reduzierung der Rekrutierung ausserhalb der Landesgrenzen um 50%);
  • die Weiterentwicklung der Studiengänge an der UNI.lu bis zur integralen Grundausbildung zum*r Ärzt*in, sowie dem Aufbau weiterer Spezialisierungen;
  • die Vernetzung der Bachelor Studiengänge für Pflegepersonal mit der Grundausbildung zum*r Ärzt*in, um die Zusammenarbeit beider Berufsgruppen in pluridisziplinären Teams von Anfang an zu fördern;
  • eine Evaluation der Entwicklung des LTPS und ein Ausbau der Zusammenarbeit mit der UNI.lu;
  • eine Zusammenarbeit mit den betroffenen Berufsgruppen bei der Ausarbeitung der zukünftigen Studiengänge;
  • die Spezialisierung zum Kinderarzt in Luxemburg anbieten;
  • der Aufbau einer Universitätsklinik;
  • die konsequente Durchführung einer Informationsoffensive und Orientierungstagen, um vermehrt junge Leute für Arzt-und Gesundheitsberufe zu begeistern.
  1. Die Primärmedizin stärken

 

Eine effiziente Nutzung der vorhandenen Kapazitäten trägt dazu bei, den Personalmangel abzumildern. Immer noch kommt es vor, dass Leistungen unnötigerweise oder mehrfach erbracht werden, weil z.B. der Informationsfluss zwischen den verschidenen Dienstleister*innen nicht richtig funktionniert.

Die Rolle der Hausärzt*innen als zentrale Anlaufstelle für Patient*innen und die ganzheitliche Beratung sollten eigentlich durch die Einführung des “médecin référent” gestärkt werden. Indem der oder die “médecin référent” die notwendigen Untersuchungen (Einbeziehung von Spezialist*innen, Durchführung von Analysen und Imagerie médicale etc.) und die präventivmedizinischen Maßnahmen zentral koordiniert, sollte den Patient*innen ein unkomplizierter Zugang zu den nötigen Dienstleistungen gesichert werden, sowie die vorhandenen Kapazitäten effizient eingesetzt werden. In der Praxis scheint dieser Ansatz jedoch nicht zur Genüge zu funktionnieren, auch deshalb, weil der oder die “médecin référent” nicht immer die nötigen Informationen (ärztliche Berichte, Ergebnisse aus Analysen oder imagerie médicale) erhält und ihm oder ihr nicht die nötige Zeit zur Verfügung steht.

Maßnahmen:

  • eine Prüfung der aktuellen Funktionsweise des “médecin référent”;
  • die Schaffung einheitlicher und verbindlicher Prozeduren für alle Praktizierende, um den nötigen Informationsfluss zwischen den medizinischen Disziplinen sicherzustellen;
  • eine Anpassung der Tarife und der Nomenklatur unter Einberechnung des Zeitfaktors für die allgemeinmedizinische Praxis des “médecin référent”, damit ihm oder ihr die nötige Zeit für ganzheitliche Konsultationen seiner Patient*innen zur Verfügung steht;
  • die Einbindung von Hebammen und krankenhausnahen Geburtshäusern (hierzu muss die gesetzliche Basis geschaffen werden) in ein Gesamtkonzept rund um Schwangerschaft, Geburt und Nachsorge;
  • die Vereinfachung des DSP Systems und dessen verpflichtende Einführung als zentrale Datenbank für alle medizinischen Leistungen;
  • die konsequente Förderung der Preventiv- und Umweltmedizin.

Die Covid-Pandemie hat dazu beigetragen, dass das Thema mentale Gesundheit stärker in der Öffentlichkeit thematisiert wurde. Erfreulicherweise wird die mentale Gesundheit eine der fünf Prioritäten des “Obserbvatoire national de la santé” für das Jahr 2023 darstellen. Des Weiteren kündigte die Regierung in der Rede zur Lage der Nation an, den lange erwarteten „Plan national santé mentale” bis zum Jahresende annehmen zu wollen.

Für déi gréng sind folgende zusätzliche Maßnahmen besonders wichtig:

  • die Rückerstattung der Psychotherapie;
  • die Fertigstellung und Umsetzung des „Plan national de la santé mentale“;
  • eine Aufwertung und bessere Kommunikation rund um die bestehenden, zum Teil kostenfreien, Angebote verschiedenster Dienstleister;
  • eine wichtigere Rolle des Aspekts der mentalen Gesundheit in der Schulmedizin.
  1. Die Krankenhausmedizin stärken

 

Zu oft wurden die Spitäler Luxemburgs in den letzten Monaten von Negativschlagzeilen heimgesucht. Die vorübergehende Schließung der Geburtsstation im CHdN, die kollektive Kündigung von sechs Kardiolog*innen im selben Haus und Streitigkeiten im CHEM  waren u.a. der Anlass.  Um Patient*innen landesweit gute Krankenhausdienste anbieten zu können, muss die Attraktivität der medizinischen Arbeit im Krankenhaus verbessert werden.

Maßnahmen:

  • der schnellstmöglichste Beginn eines kontinuierlichen Monitorings, um eine objektive Faktenlage über den Ärzt*innen- und Personalmangel, sowie die Wartezeiten für Termine bei Ärzt*innen und Untersuchungen (IRM, Mammographie, usw.) aufstellen;
  • die Suche nach einer zeitnahen Lösung in der Frage um die Vergütung der “Gardes et Astreintes”;
  • die Verbesserung und Anpassung der Arbeitsbedingungen (Arbeitszeiten, Arbeitsort, usw.), um die Attraktivität des Luxemburger Spitalswesens für Studierende und junge Ärzt*innen zu verbessern und sie dazu zu motivieren, nach abgeschlossenem Studium nach Luxemburg zurückzukehren;
  • eine Prüfung der Verwaltungsstrukturen und der Führung der Alltagsgeschäfte der Häuser;
  • die Schaffung budgetärer Transparenz, was die Inbetriebnahme und Nutzung der “schweren” Apparate im Krankenhausbetrieb betrifft.
  1. Die ambulante Kurve hinbekommen

 

Der Ausbau der ambulanten Krankenhausstrukturen kann dazu beitragen, die Versorgung der Bevölkerung zu verbessern, insbesondere im Norden des Landes, sowie im Osten. In jüngster Vegangenheit wurden die Bemühungen um den ambulanten Ausbau jedoch überschattet von unkoordinierten Privatinitiativen, mit dem Ziel besonders gefragte und ertragreiche Dienstleistungen auszulagern und die Gewinne abzuschöpfen. Die daraufhin vom Gesundheitsministerium ausgearbeiteten Gesetzesvorschläge gehen für déi gréng grundsätzlich in eine gute Richtung, es fehlt aber eine fundierte Bedarfsanalyse und die Rückversischerung, dass der Ausbau des ausserklinischen Bereiches nicht auf Kosten der Krankenhäuser geht. Für déi gréng müssen Entscheidungen im Gesundheitsbereich immer den/die Patient*innen in den Mittelpunkt stellen und die Grundprinzipien der “Santé publique” und des öffentlichen Interesses fest im Blick behalten. Deshalb muss das oberste Ziel der ambulanten Wende sein, die neuen Dienstleistungen mit dem Spitalsektor zu vernetzen und Synergien zu schaffen.

Maßnahmen:

  • die Ausschaffung eines “plan sectoriel” aller Gesundheitsleistungen die außerhalb der Spitäler erbracht werden, respektiv werden sollen, damit eine geographisch sinnvolle Verteilung sowie Vernetzung der Angebote erarbeitet werden kann;
  • bei den Arbeiten im Parlament zu den Gesetzesentwürfen zu (1.) den regionalen Klinikantennen und (2.) den “cabinets médicaux” sicherstellen, dass:

-nicht wirtschaftlische Intressen, sondern die medizinische Qualität und die „santé public“ weiterhin im Vorgdergrund stehen;

-das Risiko einer Finanzialisierung der zukünftigen Gemeinschaftspraxen von vorneherein ausgeschlossen bleib;

-dass außer dem Kapital der Geschäftspartner*innen, kein Fremdkapital in Gemeinschaftspraxen fließen darf;

  • die schnellstmögliche Ausarbeitung einer umfassenden Regelung der Verpflichtungen im Sinne der “Santé publique” für alle Ärzt*innen/Spezialist*innen die ausserhalb eines Krankenhauses tätig sind. Die Förderung der Gemeinschaftspraxen darf nicht auf Kosten des Krankenhaussektors gehen;
  • den “Fonds d’indemnisation de l’aléa thérapeutique” endlich auf die Beine stellen – die Attraktivität der Berufe Gynäkologie und Pädiatrie würde hiervon besonders profitieren;
  • eine Analyse die ermitteln soll, inwiefern die regionalen Angebote die zentrale Notaufnahme der CHL-Pädiatrie entlasten können, da nicht jeder Notfall zwangsläufig auf die Behandlung durch eine*n Kinderärzt*in angewiesen ist.
  1. Digitalisierung im Dienst des*r Patient*innen und der Effizienz

 

Digitale Angebote im Gesundheitswesen wurden während der Pandemie zur neuen Normalität. Nutzerfreundliche digitale Angebote sollen den Patient*innen sowohl im Bereich der medizinischen Dienstleistungen zur Verfügung stehen, wie auch administrative Vorgänge vereinfachen. Die Digitalisierung muss des Weiteren zum Ziel haben, bürokratische Hürden abzubauen oder die Durchführung zu erleichtern, die Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen zu fördern und eine bessere Aufteilung der Zuständigkeiten zu erreichen. Auch über diesen Weg kann das bestehende Personal optimal eingesetzt werden.

Maßnahmen:

  • die Gesamtstrategie der “Agence eSanté” muss einen präzisen Zeitplan erhalten und die zu erreichenden Ziele mit konkreten Maßnahmen besetzen;
  • eine schnellstmögliche digitale Vernetzung der Krankenhäuser untereinander;
  • eine Vereinfachung für die Nutzung des DSP, welches als zentrale Sammelstelle für alle medizinischen Leistungen verpflichtend eingeführt werden muss;
  • die Patient*innen sollten idealerweise mit einer einzigen App Zugriff auf alle relevanten Funktionen und Informationen bekommen;
  • eine Ausweitung der Option des “Paiement immédiat direct” auch auf die nicht digital vernetzte Kundschaft;
  • Télémedizinprojekte, wie in Ettelbrück, dort wo sie ohne Qualitätsverlust möglich sind, ausarbeiten und kontrolliert einsetzen.

 

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