29. März 2021
Seit mittlerweile einem Jahr hat das Coronavirus uns fest im Griff. Vom Etat de crise über den Lockdown hin zu Grenzschließungen und deren Aufhebung, Lockerungen der Covid-Maßnahmen und wieder strengeren Regeln. Seit Ende Dezember sind wir in einem Regelwerk gefangen, das die Zahlen auf hohem Niveau stagnieren lässt.
Die aus sanitären Gründen entschiedenen Einschnitte in die Grundfreiheiten gehören zur weltweiten Eindämmungsstrategie der Krise. Dennoch dürfen diese einschränkenden Maßnahmen im Rechtsstaat Luxemburg nach einem Jahr nicht zur neuen Normalität werden.
Angesichts der verheerenden Auswirkungen der Maßnahmen auf die mentale Gesundheit der Bevölkerung, besonders bei Kindern und Jugendlichen, gilt es sicherzustellen, dass die aktuellen Einschränkungen im Bereich der Grundrechte mit intelligenten Strategien der Lockerung einhergehen, ohne dass auf Gesundheitsschutz verzichtet wird.
Der aktuelle Stand der Impfkampagne, aber auch die steigenden Infektionszahlen, Hospitalisierungen und Sterbefälle machen das Testen, Tracing, Isolieren und Sequenzieren weiterhin genauso unerlässlich wie der konsequente Respekt der bestehenden Hygienekonzepte.
Gleichwohl müssen wir uns pro-aktiv mit Lockerungsszenarien auseinandersetzen. Dafür brauchen wir klar definierte, kontrollbierbare und zielführende Testkonzepte, die ein schnelles Reagieren ermöglichen.
Eine solche Herangehensweise schafft sowohl den Menschen, als auch der Wirtschaft lang erhoffte Perspektiven. Durch bereits wissenschaftlich belegte Erfahrungen, sowie verbesserte Test- und Kontrollmöglichkeiten können wir in dieser Hinsicht nuancierter vorgehen als am Anfang der Pandemie.
Tests sind ein wichtiger Hebel zur Pandemiekontrolle
PCR-Tests auf Rezept, Large Scale Testing und Sequenzierung der Varianten haben zu einer besseren Übersicht über das Infektionsgeschehen geführt. Solange in der Bevölkerung noch kein kollektiver Impfschutz existiert, sind große Testkapazitäten die Voraussetzung, um die positiven Fälle, insbesondere die asymptomatischen, möglichst schnell zu identifizieren. So zum Beispiel im Bildungswesen, wo das Testen dazu beigetragen hat, die Schulen weit möglichst offen zu halten und das Grundrecht auf Bildung zu gewährleisten. Zur Totalschließung der verschiedenen Wirtschaftszweige, der Kultur und des Sports kam es ebenfalls nicht.
Weniger zu testen und so ein weniger vollständiges Bild vom Infektionsgeschehen zu haben, wäre daher unverantwortlich. Hinsichtlich des Monitorings der Lockerungsmaßnahmen spielt eine belastbare Testkapazität ebenfalls eine wichtige Rolle.
Nachdem anfangs ein breites Testen nötig war, um die asymptomatisch positiven Fälle zu erfassen und Infektionsketten zu brechen, sollte man jetzt vermehrt auf gezielteres Schnelltesten mit mobilen Teams zurückgreifen. Das gilt besonders für den Bildungsbereich, wohl wissend, dass Kinder dem Virus als Letztgeimpfte am längsten ausgesetzt sein werden.
Auf Grund ihrer präzisen Diagnostik zeichnen sich die PCR-Tests zwar weiterhin durch den Gold-Standard aus. Mit ihrem hohen Preis, ihren begrenzten Kapazitäten und dem nicht zu unterschätzenden Aufwand haben sie jedoch auch Nachteile. So ist eine Auswertung nur über Labortechnik möglich, die das Ergebnis erst nach einigen Stunden liefern kann.
Verschiedene Situationen wie beispielsweise ein Besuch im Pflegeheim oder kulturelle Veranstaltungen setzen jedoch Schnelligkeit voraus. Wenn Schnelltests hier und in andern relevanten Bereichen korrekt eingesetzt werden, bilden sie den zentralen Bestandteil einer zuverlässigen Strategie der Lockerung.
Mit Selbsttests eigenverantwortliches Handeln fördern
Besonders im Privatbereich bietet der Einsatz von Selbsttests die Möglichkeit, bei Zusammenkünften auf Eigenverantwortung zu setzen und das Risiko eigenständig zu reduzieren.
Entscheidend sind dabei Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit und Handhabungstechnik. Auch muss sichergestellt werden, dass finanziell schwächere Haushalte einen garantierten Zugang zu den Selbsttests erhalten.
Laut Studien der Uni Heidelberg und der Berliner Charité sind die von geschulten Laien angewendeten Schnelltests nahezu genau so sicher wie solche, die durch Fachpersonal durchgeführt werden.
Mit zertifizierten Schnelltests sicher öffnen
Mit wesentlichen Lockerungen können wir nicht abwarten, bis die Impfungen eine Herdenimmunität herbeigeführt haben. Selbst wenn die Impfkampagne beschleunigt wird, wird das noch einige Monate dauern. Sollte das Infektionsgeschehen es erlauben, könnte die Basis weiterer Lockerungsschritte im öffentlichen Bereich durch den Rückgriff auf zertifizierte Schnelltests gelegt werden, dies unter Kontrolle einer externen Fachkraft.
Im nahen Ausland wurde der systematische Einsatz von solchen zertifizierten Tests bereits erfolgreich erprobt. In Tübingen beispielsweise ist das „Tübinger Tagesticket“ als Nachweis über einen tagesaktuellen negativen Schnelltest die Voraussetzung für den Zugang zu zahlreichen Betrieben. In mehreren Schnelltest-Stationen der Innenstadt können sich alle Bürger kostenlos testen lassen und mit dem negativen Test einen Tag lang die Außengastronomie sowie Kunst- und Kultureinrichtungen besuchen.
Um eine ähnliche Herangehensweise in Luxemburg zu ermöglichen, wäre der Aufbau eines engen Schnelltest-Netzwerks sinnvoll. Diese Tests könnten hier schnell unter Aufsicht durchgeführt und zertifiziert werden. Dafür braucht es Personal, aber auch Räumlichkeiten. Und weshalb nicht die Gemeinden proaktiv in eine solche Strategie einbinden?
Zielgerichtete Hygiene- und Testkonzepte
Das Tübinger Beispiel zeigt, wie zertifizierte Schnelltests in Kombination mit intelligenten Hygienekonzepten für die einzelnen Lebensbereiche eine sichere Lockerungsperspektive eröffnen können.
Besonders in den Strukturen für ältere oder behinderte Personen gilt es, auf schwerwiegende Einschränkungen und Isolationen zu verzichten. Eine komplette Rückkehr zum Normalbetrieb wird allerdings erst erdenklich, wenn alle Bewohner geimpft sind. In der Zwischenzeit könnte aber mit Hilfe von Schnelltests eine gewisse Normalität einkehren, auch im Hinblick auf die Erweiterung der Besuchsrechte.
Im Sport und im Kulturbereich wurden bereits erste Hygienekonzepte unter Einbeziehung von Schnelltests umgesetzt. Die diesbezüglichen Erfahrungen bilden eine gute Grundlage, um weitere Lockerungsschritte zu planen und im Falle von stabilen oder sogar zurückgehenden Infektionszahlen umzusetzen. Prioritär ist dabei der Respekt der Grundbedürfnisse von Kindern und Jugendlichen, die vehement unter den Einschränkungen leiden und deren mentale und körperliche Gesundheit bereits stark in Mitleidenschaft gezogen ist.
Auch in der Wirtschaft, insbesondere im HORESCA-Bereich, ist der Aufbau von durchdachten und in Etappen erfolgenden Lockerungskonzepten mit Rückgriff auf Schnelltests ein gangbarer Weg zu mehr Freiheit. Zusätzlich muss die Teilnahme am Large Scale Testing unseres Erachtens in Sektoren mit höherem Infektionsrisiko verstärkt werden. Voraussetzung sind flächendeckende Informationskampagnen über Zweck und Sinn des Testens in den besagten Sektoren. Gewinner wären die Angestellten selbst, jedoch auch die Wirtschaft, da weniger Schließungen durch erhöhte Infektionszahlen zu weniger finanziellen Einbußen führen.
Gemeinsam sind wir in der Pflicht, eine demokratisch und rechtsstaatlich belastbare Perspektive für den Weg aus der Pandemie aufzuzeichnen. Wir können die massiven Einschränkungen schrittweise lockern, wenn wir aus der Forschung lernen und bereits vorhandene Lösungen konsequent in die Tat umsetzen.
*Marc Hansen ist Apotheker und Abgeordneter für déi gréng
Djuna Bernard und Meris Sehovic sind Parteivorsitzende von déi gréng